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Die Leseleuchte

News & Stories — 21. August 2015
von Matthias Kanter
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Produktfilm über die Schreibtischleuchte EB27 von Eduard-Wilfrid Buquet, die aus dem Jahr 1927 stammt. Die Bremer Firma Tecnolumen führt die lange Tradition dieser hochwertigen Silberleuchte seit 1982 fort und sorgt für eine sehr originalgetreue Herstellung der Tischleuchte, die in großen Teilen handgefertigt wird. KONTRAST Medienproduktion hat diesen Industriefilm vorwiegend beim Silberschmied gedreht. Die Anteile der Lampe wurden als Produktvideo in unserem Studio auf einem elektronischen Drehteller erstellt. Bei Tecnolumen in Bremen drehten sie die endgültige Zusammensetzung sowie die Qualitätskontrolle.
Eine Lampe für den Schreibtisch ist für den Designliebhaber keine leichte Aufgabe. Gut 100 Jahre ist diese Lieblingsdisziplin der Gestalter in Deutschland mit Firmennamen wie Midgard, Kaiser oder Heli verbunden und zumindest Kaiser Idell hat dank unserer dänischen Nachbarn bei Louis Poulsen auch eine gute Wiederauflage.

Trotzdem ich mich gut mit Lampendesign auszukennen meinte, erlebte ich kürzlich eine Überraschung. Eine mehrfach auf Fotos leicht übersehbare Lampe vermeintlich zeitgenössischen Ursprungs überraschte mich dreifach.
Mit ihrem Material, Entwurfsjahr und Preis. Ihr noch nie im Original begegnet zu sein, war nun Grund genug, mich mit dieser Diva zu "verabreden".

Als das Paket kam, brauchte es wenige Handgriffe, um sehr still in Betrachtung zu versinken. Schnell war klar, warum wir uns noch nie in Natura begegnet waren. Selbst die versilberte Variante war mit der Seriennummer 150 noch nicht wirklich oft produziert worden und zur Version in purem Sterling hatten sich vermutlich noch weniger Käufer entschlossen. Da gut zwei Drittel des Kaufpreises auf den Silberpreis entfallen, schien es im Zeitalter von Riesterbetrug und Zinsschwund auch Argumente für die Vollsilberlampe als Geldanlage zu geben, die ich hier aber nicht weiterverfolge.

Allein Anmutung, Funktion und Ausführungsqualität sichern diesem Designklassiker von Tecnolumen unter allen mir bekannten Verwandten eine Ausnahmestellung. Dass Eduard-Wilfrid Buquet, über den das Internet fast keine Lebensdetails kennt, ein zeitloser Entwurf gelungen ist, zeigt die EB-Leuchte beispielhaft.

So wenig man sie einer Designepoche zuordnen kann, verweigert sie sich unterschiedlichster Wohnumgebungen. Sie ist wie ein edles Schreibgerät, das auch dem Biedermeiersekretär gut steht oder einen chaotischen Schreibtisch sanft ordnet. Man könnte jetzt weiter wohlwollend die Flexibiltät und Ausführungsdetails wortreich fokussieren, wäre da nicht der Preis.

Schon für die versilberten Variante reicht ein durchschnittliches Monatseinkommen nicht und das Sterlingsilberleuchtenobjekt kann es mit einem Kleinwagen aufnehmen. Nun gibt es immer wieder in unserer schillernden Welt des Konsums Luxusprodukte für die wenigen Tausend, die es schwer haben lohnende Ziele für ihr Vermögen auszumachen.

Wir anderen übersehen diese schlicht oder in bunten Zeitungen mit sehr wechselnden Gefühlen einer fremden Welt. Die Dinge scheinen so unerreichbar, dass wir nicht einmal erwägen, sie auf unseren inneren Wunschzettel zu setzen oder finden es fast unanständig so etwas besitzen zu wollen. Diese Einstellung schützt uns vor Neid und manchem Müll und mancher ist vielleicht sogar schadenfroh, wenn er liest, dass besonders Designerklamotten von Schadstoffen höher belastet werden.

Unter kulturellen Aspekten macht es natürlich trotzdem Sinn auch zu prüfen, ob das Teuerste auch das Beste ist. Als die meistbegehrten Dinge noch mit dem "Westbesuch" zu uns reisten, beeindruckte mich meine Tante mit Sätzen wie "Ich bin nicht reich genug, billig zu kaufen." oder " Was gut ist, muss reparierbar sein." Sie schien mir sehr reich und nicht besonders handwerklich begabt, aber diese Idee von Qualität blieb mir. So ergründe ich gern auf Zeit einen Bereich unserer Produktkultur mit seiner Entwicklungsgeschichte, um am Ende mich bewusster entscheiden zu können.

Es ist die Suche nach dem für mich Besten das nicht unbedingt das Teuerste sein muss. Dieser Erkenntnisprozess beginnt meist mit zufälligen Begegnungen, ordnet sich über konzentrierte Recherche bis zu dem Tag, an dem meine Freundin beginnt sich zu wundern warum so viele Vertreter einer Produktgruppe mit uns leben müssen. Erfahrungen haben sie gelehrt, dass sich so auch schon das Ende meiner Beschäftigung abzeichnet und die Dinge wieder langsam verschwinden.

Um diesen Prozess für mich abschließen zu können braucht es nur ein, zwei Gegenstände, die meine Analyse würdig vertreten und so zu Lebensgefährten werden. So Erwählte verschaffen mir endlos Freude im krassen Gegensatz zu den spontanen Errungenschaften, deren zunehmende Mängel uns erst enttäuschen, um sie dann bestenfalls zu ignorieren.

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Gespannt über die sehr verschiedenen Themen meiner Beobachtungen über die Jahrzehnte, bleiben mir folgende Gemeinsamkeiten:


  1.  Jedes hochentwickelte Produkt durchläuft eine Evolution, an der Innovation und Ausführung einen kurzen Höhepunkt erlebt. Auch wenn wir uns im Prozess fortwährender Weiterentwicklung wähnen, kann bei einer spezifischen Produktgruppe dieser Höhepunkt Jahrzehnte zurückliegen und die Industrie danach ihre gesamte Kreativität nur noch in die preiswertere Erreichung eines geringeren Ziels stecken.
    Besonders auffällig ist das im Bereich der Musikspeicher, Klangerzeuger und Tonwandler. Dort könnte durchaus schon vor 40 Jahren ein Zenit gelegen haben. Wer sich für mechanische Uhren begeistert, findet vor fast 100 Jahren heute nur schwer erreichbare Spitzenleistungen.

  2. Das Teuerste ist selten das Beste. Das Billigste ist es nie.
    Wenn öffentliche Bauvorhaben heute ausgeschrieben werden, muss der preiswerteste Anbieter den Zuschlag bekommen. Was hier mangelnde Intelligenz in Gesetze gegossen hat, entscheiden unsere holländischen Nachbarn genau gegenteilig. Hier darf weder der billigste noch der teuerste Anbieter zum Zuge kommen und das deckt sich auch besser mit meinen Beobachtungen. Dass mit Lange und Söhne auch manchmal der teuerste Produzent durchaus der Beste ist, zwingt zu genauerer Analyse.
    Interessant ist der deutsche Werkzeug- und Maschinenbau.
    Der professionelle Anwender braucht verlässliche Qualität und kennt alle Schwächen eines Produktes. Hier lässt sich nur einmal Gewinn mit Täuschung erzielen und langfristig nur verlieren.
    Der Kommunalgärtner kennt Firmen wie Agria, deren Rasenmäherpreise im Baumarkt als "preiswerte" Qualitätsprodukte Kundenproteste auslösen würden.

  3. Gut ist passend. Ein Schuh kann noch so schön sein, wenn er sich schlecht läuft, ist er nicht unser Schuh und wenn er nicht passt, erst recht nicht. So bleibt auch mit dem Ergebnis jeder Produktrecherche am Ende die Frage der Verbindung zu uns schwerwiegend.
    Unser Selbstverständnis in der Welt verbindet uns mit der materiellen Welt und dieses Verhältnis ist so mannigfaltig, wie wir unterschiedlich sind.

  4. Der Wert!
    Wirklich wertvoll können uns erinnerungsbeladene Kleinigkeiten sein oder Dinge mit hohem Wiederverkaufswert.
    Einer schätzt in Gegenstände eingefrorene Geschichten, die Urlaubsmitbringsel so auflädt und andere das wohlige Gefühl, dass materialisierte Sparguthaben nur auf Zeit verwandelt sind.
    So ist der Wert vielleicht die am meisten individuelle Größe für die Gegenstände um uns. Einzig für den, der Preis und Wert sehr ähnlich empfindet, gilt auch das Argument, dass er den Wiederverkaufpreis vom Kaufpreis abziehen kann, um sein Nutzungsentgelt zu ermitteln.
    Dass sogenannte Luxusgüter dabei oft verhältnismäßig günstige Lebensabschnittsbegleiter sind, mag immer wieder überraschen.
    Wer seinen Kindern den originalen Stokkestuhl kauft, zahlt für seine Nutzung eher weniger als die Käufer der Ikeakopie, was die vermeintlichen Schnäppchen des schwedischen Möbelhauses insgesamt sehr teuer erscheinen lässt.

Diese Vier Kriterien auf die Wahl unserer Schreibtischlampe angewendet macht aus der EB-Leuchte eine für mich bedenkenswerte Favoritin. Entwurf und Innovation sind geradezu auf einem frühen historischen Zenit angesiedelt, den wir gemeinhin Pionierleistung nennen.

Sie gehört zwar zu den teuersten Vertreterinnen ihrer Art, aber nichts deutet auf aufgeblähte Marketingkosten oder gewinnsüchtige Kalkulation. Schaut man auf Ausführungsqualität und handwerkliche Details, kann die geringe Auflage nur eine kostendeckende Produktion bedeuten.



Mir gefällt sie von Tag zu Tag besser. Auf eine lebenslange Nutzung würde ich mich gern einstellen und über einen erfreuten Nachnutzer würde ich mir keine Sorgen machen müssen. Einzig dem zeitgenössischen Leuchtmittel traue ich keine Langzeitoptimalität zu und würde die Lampenbauer für meine Leuchte um eine klassische Fassung bitten. Ihr Auftreten und ihre Unbekanntheit in meinem Freundeskreis würde die EB 27 in den Bereich von Understatement rücken und es wäre durchaus ein Lebensabschnitt denkbar, an dem man bloß noch von einem Dutzend Lieblingsgegenständen begleitet werden möchte. Diese Schreibtischlampe wäre sicher dabei und dann wird dieser vermeintliche Luxus fast zum privaten Minimalismus einer Askese.
Da sie für mich noch nicht mit privaten Erinnerungen aufgeladen ist, bemisst sich ihr Wert aus heutiger Sicht am Preis abzüglich Wiederverkaufspreis. Nach jetzigen Designpreisentwicklungen geurteilt, sollte die geringe Auflage spätere Begehrlichkeiten erzeugen und damit durchaus einen guten Teil des Neupreises bewahren können.
Am schwierigsten bleibt die Entscheidung, ob der Silberschein oder die volle Sterlingausführung besser zu uns passt.

Da ich Zahlen auf Kontoauszügen wenig Glücksgefühle abringen kann, rückt am Ende meiner Überlegungen sogar die Sterlingvariante in den Fokus. Ich könnte sie mir nicht einfach so kaufen, aber schon als Kind habe ich gelernt, dass die langfristig erarbeiteten Dinge so viel geprüfter und dann langfristig freudespendend zu mir kamen. Die Geschichte ihrer Erlangung wurde ein Teil ihres Wertes für mich, und nicht der Schlechteste.
Man kann diesen Text als ausgefeilte Strategie lesen, sich noch die absurdesten Konsumwünsche schön zu reden. Angesichts einer Schreibtischlampe zum Preis von … durchaus verständlich.
Mich verblüfft immer wieder, dass die Beschäftigung mit den Dingen, Erst- oder auch Vorurteil genannte Ansichten, so nachhaltig erschüttern kann.

Für mich ist diese Lampe eine begehrenswerte Lebensbegleitung und sehr gut investiertes Geld. Ein Hersteller, der 2015 so eine Leuchte zu produziert, ist eine Arrt Kulturbollwerk. Manchmal wünschte ich für solche Produkte ein Jahrestreffen Ihrer Besitzer beim Hersteller.
Diese Gesellschaft hat sicher keinen langweiligen Abend.
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